In vielen (deutschen) Unternehmen stehen die Themen Achtsamkeit und auch meditative Praktiken zunehmend mehr im Fokus – und das zu Recht. Manche Unternehmen wie google oder SAP haben sogar eigene Programme hierzu entwickelt.

Unsere heutige Arbeitswelt fordert zwar weniger anstrengende körperliche Arbeit, die psychische Belastung für viele Beschäftigte ist aber hoch. Das zeigt sich auch in der steigenden Anzahl von psychischen Erkrankungen. Die Krankenkassen berichten, dass seit 2006 die Anzahl der Fehltage, die auf psychische Erkrankungen zurückzuführen sind, kontinuierlich ansteigen und für rund 15 % aller Fehltage verantwortlich sind. Das entspricht in etwa einer Verdreifachung innerhalb von 20 Jahren. (Quelle: Statistika 2019)

Und was hat das mit Führung und Achtsamkeit oder „mindfulness“ zu tun?

Eine individuelle Achtsamkeitspraxis kann nachgewiesenermaßen helfen um mit Stress, Angst und Schmerzen besser umgehen zu können. Sie steigert auch die Leistungsfähigkeit und das allgemeine Wohlbefinden.

Achtsam nicht nur mich selbst sondern auch mein Team zu führen, schafft eine Arbeitsatmosphäre, die auf Dauer für alle gesünder ist. Ohne dabei den Produktivitätsaspekt aus den Augen zu verlieren.

Was ist denn eigentlich Achtsamkeit oder mindfulness?

Meditation und Achtsamkeit wurde lange Zeit als buddhistisch / spirituell angehaucht betrachtet, einNebeneffekt oder Überbleibsel aus der Hippie-Zeit.
In den 1970er Jahren hat der amerikanische Molekularbiologe und Stressforscher Jon Kabat Zinn Achtsamkeit von diesem spirituellen Hintergrund gelöst: Er entwickelte zunächst für chronisch kranke Schmerzpatienten das Programm MBSR (Mindfullness-based stress-reduction). Mittlerweile zählt MBSR weltweit zu den Achtsamkeits-Programmen, die wissenschaftlich evaluiert wurden und deren Wirkung anerkannt ist.
In Deutschland erforscht zum Beispiel Prof. Tania Singer (seit 2019 wissenschaftliche Leiterin der Forschungsgruppe Soziale Neurowissenschaften in Berlin) die Wirkung von Meditation und Achtsamkeitspraxis. Auch ihre Studien belegen die Wirksamkeit.
Achtsamkeit ist eigentlich ganz einfach: den gegenwärtigen Moment ganz bewusst wahrzunehmen, und den mit diesem Moment einhergehenden Zustand / Gefühl / Gedanken zu bemerken und jedoch nicht zu bewerten. Oder um mit Jon Kabat Zinn‘s Worten zu sprechen: „Wenn Du duscht, dann sei auch unter der Dusche.“ Denn für die meisten von uns ist es doch eher so, dass wir zwar eine Tätigkeit verrichten, mit unseren Gedanken aber schon dabei sind etwas ganz anderes zu tun: das nächste Projekt planen, das nächste Gespräch vorbereiten, die Bahnfahrt buchen, den Einkaufszettel schreiben ….
Durch ein bewusstes Innehalten hilft Achtsamkeit dabei wieder Ruhe und Ordnung in das Chaos – die vielen parallelen Gedanken – in Ihren Kopf zu bringen. Sie lernen Ihre Gedanken wahrzunehmen und auch sich nicht direkt von jedem Gedanken leiten zu lassen, sondern Ihren Fokus auf dem zu halten, was jetzt im Moment wichtig ist.
Genau deswegen ist Achtsamkeit sehr gut für Führungskräfte geeignet, denn wenn Sie lernen sich selbst zu beobachten und bewusst im jeweiligen Moment auch wirklich präsent zu sein, dann sind Sie nicht nur weniger gestresst, sondern Sie werden auch leistungsfähiger und Ihrem Team offener und zugewandter begegnen.

5 leichte Übungen für mehr Achtsamkeit in der Arbeitswelt – auch aber nicht nur für Führungskräfte

1. Vermeiden Sie Multitasking

Schenken Sie stets nur der Aufgabe Ihre Aufmerksamkeit, an der Sie im Moment arbeiten. Schleicht sich trotzdem immer wieder ein anderes Thema in Ihre Gedanken, dann notieren Sie dieses einfach – z.B. auf einer to do Liste.

Tipp für Führungskräfte: Erstellen Sie für jeden Tag eine Liste der 3 wichtigsten Themen und reservieren Sie Zeitblöcke zur Bearbeitung dieser Themen im Tagesablauf ein. Planen Sie so realistisch wie möglich.

2. Hören Sie zu

In Gesprächen mit Mitarbeitenden oder Kollegen ganz präsent sein und zuhören. Bleiben Sie mit Ihrer Aufmerksamkeit zu 100 % beim Gespräch und Ihrem Gesprächspartner. So erhöhen Sie die Gesprächsqualität und auch die Zufriedenheit aller mit dem geführten Gespräch.

Tipp für Führungskräfte: Vermeiden Sie Tür-und-Angel-Gespräche bei wichtigen Themen. Nehmen Sie sich vor und nach einem wichtigen Gespräch Zeit für die Vor- und Nachbereitung. Vermeiden Sie jede Ablenkung während des Gesprächs.

3. Problemen lassen sich nicht vermeiden

Wenn das Problem nichts überlebenskritisches betrifft: 3 Minuten ruhig atmen, bewusst Ihre Aufmerksamkeit auf den Atem lenken. So beruhigen Sie Körper und Geist, bevor Sie ins Handeln kommen.

Tipp für Führungskräfte: Wechseln Sie Ihre Perspektive, mit der Sie auf ein Problem schauen: Was können Sie aus dem Problem lernen? Welche Facetten hat es? Laden Sie auch Ihr Team zum Perspektivwechsel ein.

4. Kultivieren Sie Stille

Nehmen Sie sich jeden Tag mindestens 15 Minuten Zeit, in der Sie sich nur auf Ihren Atem konzentrieren. Bei Menschen, die regelmäßig meditieren, springt nachgewiesenermaßen die Amygdala (auch Mandelkern genannt, das Angst- oder Alarmzentrum im limbischen System unseres Gehirns) langsamer an und reduziert so Stress, Angst und Unruhe.

Tipp für Führungskräfte: Beginnen und Beenden Sie ein Meeting mit einer Minute Stille, einer Minute des ruhigen Ankommens bzw. Beendens. Damit schaffen Sie die Basis, damit alle sich ganz auf die anstehenden Themen fokussieren können.

5. Üben Sie sich in Dankbarkeit

Nehmen Sie sich täglich Zeit im Stillen die Dinge aufzuzählen, für die Sie dankbar sind. Sie können auch ein Dankbarkeits-Tagebuch führen. Das hilft, den sogenannten Negativity Bias (also die Tendenz eher negative Dinge als positive Dinge wahrzunehmen) auszugleichen und führt zu mehr Zufriedenheit im Leben.

Tipp für Führungskräfte: Bedanken Sie sich bei Ihren Mitarbeitenden / Ihrem Team für das was gut läuft. Und reflektieren Sie regelmäßig gemeinsam nicht nur Probleme, sondern auch kleine und große Erfolge und lenken den Fokus auf das, womit alle zufrieden sind.

Die Fähigkeit der Achtsamkeit trägt jeder in sich, jedoch ist Training notwendig, um den „Muskel Achtsamkeit“ zu stärken und gezielt im Alltag anwenden zu können.

Lesefutter:

Jon Kabat Zinn: Gesund durch Meditation

Esther Narbeshuber: Mindful Leadership

Marc Lesser: Seven Practices of a Mindful Leader